Mit dem Erlkönig zur Vorlesung und "Brewing Science" berufsbegleitend
Als wissenschaftlicher Koordinator des Masterstudiengangs Elektromobilität, lehrt Prof. Dr.-Ing. Moritz Gretzschel nicht nur im Bachelor Maschinenbau die Fächer Maschinendynamik, Antriebsstrang und energetische Betriebsstrategie. Im Interview erzählt er uns von seiner Begeisterung für Elektromobilität und prämierter Braukunst.
Wo liegt Ihre Heimat und wie sind Sie mit der Region Ostwürttemberg verbunden?
"Ich stamme aus München, wo ich aufgewachsen bin, studiert habe und in der Automobilindustrie gearbeitet habe, bevor ich Professor wurde. Und wo auch immer noch der Wohnsitz meiner Familie ist. Zur Ostalb hatte ich bis zu meiner Berufung an die Hochschule eher wenig Berührungspunkte. Seitdem habe ich aber Aalen als überschaubares, gemütliches Mittelzentrum und vor allem die abwechslungsreiche Landschaft des Albtraufs kennen und richtig lieben gelernt. Besonders freue ich mich auch immer auf meine Vorlesungen in Esslingen, das mit seiner unzerstörten mittelalterlichen Altstadt für mich eine der schönsten deutschen Städte überhaupt ist."
Zur Lehre: Wie und was möchten Sie Ihren Studierenden vermitteln?
"Dass Elektromobilität ein aktuelles, polarisierendes und kontrovers diskutiertes Thema ist, weiß eh jeder. Ich möchte den Studierenden eine verantwortungsvolle und differenzierte Sicht auf das Umweltthema zeigen, und dass man viele aktuelle Studien und Artikel mit einfachen Mitteln kritisch hinterfragen kann. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, das etwas von meiner Veranstaltung hängenbleibt, dann dass Elektromobilität begeisternd sein kann, hochkomplex ist, und dass die Fahrzeuge nur so von ungeahnten Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Systemen und Energieformen strotzen, die man schon bei der Konzeptfindung gekannt haben sollte, damit die Fahrzeuge überhaupt ihr volles Potenzial ausspielen können.
Im Fach Maschinendynamik, das recht Formel-lastig ist, ist es mir ein Anliegen, immer wieder auf anschauliche Anwendungsbeispiele zu verweisen, beispielweise auf die Fahrwerksauslegung von Fahrzeugen. Und Querverweise zwischen den einzelnen Ingenieursdisziplinen herzustellen: Damit man erkennt, dass die verschiedenen Fächer nicht isoliert dastehen, sondern dass man immer wieder auf die gleichen Differentialgleichungen kommt, egal ob man damit ein mechanisches, elektrisches oder regelungstechnisches System beschreibt."
Haben Sie aktuelle Projekte?
"Meine thematischen Steckenpferde sind Getriebetopologien und die energetische Betriebsstrategie. Aus meiner früheren Tätigkeit konnte ich ein in dieser Hinsicht sehr variables Forschungsfahrzeug behalten, das auch immer noch in der Lehre und für studentische Projekte zum Einsatz kommt. Und ich freue mich riesig, dass unser Institut jetzt einen großen Vierachs-Gesamtfahrzeugprüfstand bewilligt bekommen hat, der Ende des Jahres in Betrieb gehen soll.
Und um mal am eigenen Leib zu erleben, wie sich ein berufsbegleitendes Studium in der Freizeit anfühlt, habe ich gerade einen Postgraduate-Zertifikatslehrgang in „Brewing Science“ absolviert, aber das fällt wohl eher unter Hobby."
Was ist das Besondere an den Studierenden des Graduate Campus und der Hochschulföderation Südwest?
"Mir macht es einen Riesenspaß, mit Studierenden zu arbeiten, die mitten im Berufsleben stehen und mit denen man auf Augenhöhe diskutieren kann. Auch sind die meisten Studierenden viel engagierter und motivierter, als man es etwa von Schulabsolventen kennt. Da schläft niemand in der Vorlesung oder surft am Handy. Als Lehrender steht man da ganz anders unter Strom und kommt nach einer mehrstündigen Vorlesung zwar total ausgepowert, aber auch hochzufrieden und lächelnd nach Hause."
Erzählen Sie uns eine Anekdote aus einer Lehrveranstaltung.
"Ich finde es immer sehr amüsant, wenn im Master Elektromobilität die Studierenden, die von allen namhaften Fahrzeugherstellern stammen, sich gegenseitig mit dem Brustton der Überzeugung die Philosophien ihrer jeweiligen Arbeitgeber darlegen. Und wenn Studierende, die offenbar den gleichen Job als Fahrzeug-Applikateur machen wie ich noch vor wenigen Jahren, im vollgetarnten Erlkönig, den es eigentlich gar nicht geben dürfte, zu meiner Wochenendvorlesung vorgefahren kommen."
Was machen Sie in Ihrer Freizeit am Liebsten?
"Ich habe eine ganze Reihe von Hobbies, von denen die meisten irgendetwas mit Technikgeschichte zu tun haben: Eisenbahn und Modelleisenbahn, Uhrmacherei, Motorräder und dergleichen. Mein markantestes Hobby aber sicher ist das heimische Bierbrauen. Ich habe schon Wettbewerbe mit meinen Bieren gewonnen, Rezepte kommerzieller Brauereien mitentwickelt, und gebe hin und wieder Volkshochschulkurse."
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